Kaiserfrauen auf Münzen. Von Livia bis Iulia Domna
(PD Dr. Christiane Kunst und Anja Schulz)
Projektgenese
Das hier vorgestellte Projekt faßt einige Ergebnisse des Hauptseminars „Kaiserfrauen auf Münzen“ an der Universität Potsdam im Sommersemester 2006 zusammen. Da es in der Forschung nach wie vor wenig systematische Analysen des Themas gibt [1], bot sich den Studierenden die Gelegenheit selbst erste Forschungsschritte zu unternehmen, zumal viel wichtiges numismatisches Material auch online [2] für einen ersten Einstieg zur Verfügung steht. Ziel war es nach Dynastien und Frauen geordnete Dossiers der Münzprägung im Reich und den Provinzen anzulegen und diese einem Interpretationsversuch zu unterziehen.
Die hier präsentierten Beiträge umfassen den Zeitraum der julisch-claudischen Dynastie bis hin zu den Severern, wobei wir uns entschlossen hatten, chronologisch nach den einzelnen Kaisern vorzugehen, um eine Entwicklung der Motive aber auch des Auftretens der Kaiserfrauen überhaupt aufzeigen zu können. Folgende Fragen lagen dem Projekt zugrunde: Wo und wann erscheinen Kaiserfrauen auf Münzen? Mit wem und mit welchen Motiven werden sie abgebildet? Wie werden sie dargestellt und läßt sich daraus auf ein individuelles Porträt schließen? Wie werden die Münzen umschrieben und auf welchen Nominalen erscheinen die Darstellungen? Und schließlich, inwiefern liefert der Münzbefund Hinweise auf die Stellung der Frauen?
In der Netzversion wurde der Versuch gemacht, dem Medium Internet gerecht zu werden und keine traditionellen Seminararbeiten zu veröffentlichen. Auch der unterschiedliche Leistungsstand der Studierenden wurde bewußt nicht durch eine universale Redaktion geglättet.
Der Aussagewert der Münzen
Es ist seit langem umstritten, welcher Aussagewert Münzen zukommt [3]. Wir haben uns dabei der Position angeschlossen, Münzen als Teil der kaiserlichen Selbstrepräsentation anzusehen, bei der der Kaiser die Münzen benutzte, um bestimmte politische Botschaften über seine Erfolge oder Absichten zu kommunizieren und sie nicht nur als Zahlungsmittel zu betrachten [4]. Damit geht durchaus nicht die Vorstellung einher, daß es sich um einen jederzeit gelenkten und einheitlichen Vorgang handelt. Abgesehen davon, daß in den Provinzen nach wie vor lokale Prägungen vorkamen, stießen auch in Rom etwa die tresviri monetales in eigener Regie Münzprogramme an oder der Senat ließ Prägungen auflegen.
Dennoch wird nach unserer Auffassung tendentiell das geprägt, von dem man glaubt, daß es dem Kaiser genehm ist oder doch zumindest die Wahrnehmung der Realität spiegelt. Wir gehen nicht davon aus, daß die Kaiserfrauen über ein eigenes Münzrecht verfügten [5]. Wie wichtig es für einen Kaiser war, sein Bild und seine Botschaften im Reich bekannt zu machen, zeigt etwa die große Zahl von Münzen, die Didius Iulianus in seiner nur zweimonatigen Regierungszeit in Umlauf brachte, und die sehr dezidiert auf Frau und Tochter Bezug nimmt, ohne daß nur vorangegangene Typen wiederholt werden.
Frauen auf Münzen
Das Münzbild für Frauen war natürlich von der Vorstellung des Principats als politischer Organisationsform abhängig. Da es nach der Definition des Augustus eine wiederhergestellte Republik und keine Monarchie war, gehörte die Frau nicht zu den offiziellen Repräsentanten des Systems. Ihre Rolle blieb undefiniert [6]. Augustus selbst hat dann auch nicht seine Frau auf Münzen abbilden lassen, allenfalls spät in seiner Regierungszeit in einer Göttinnengestalt denkbar gemacht. Ein Grund für diese Zurückhaltung lag in der relativ offensiven Haltung des Antonius in diesem Punkt, der sowohl seine Gattin Octavia wie auch seine Gefährtin Kleopatra auf Reichsmünzen herausgestellt hatte [7]. Gleichwohl war die Zahl der Prägungen im Osten für Livia überwältigend. Das stand zum einen in der Tradition des hellenistischen Herrscherinnenbildes, spiegelt aber auch die ansonsten häufige statuarische Repräsentation Livias im öffentlichen Raum und damit also die Wahrnehmung der Kaisergattin als Repräsentantin der Herrschaft.
Eine Sonderrolle nimmt die Prägestätte Alexandria ein, wo der Kaiser seine Gattin selbst auf Münzen darstellen ließ. Auffällig ist auch, daß gerade die Statthalter senatorischer Provinzen, die Frauen der Kaiser auf Münzen verewigen, etwa auf den kleinasiatischen Kistophoren. Sie hätten dies sicher nicht getan, wenn sie damit gegen ein Tabu der Regierungspraxis verstoßen hätten. In den Provinzen fällt die große Parallelität der Kaiserfrau auf Münzen zu ihrem Mann auf. Persönliche Bezüge kommen allenfalls in der julisch-claudischen Zeit vor, in der auch bereits ein wesentlicher Motivkanon entsteht, der später in stereotyper Weise übernommen wird. Neben den Themen Ehe und Familie, anfangs auch Kaiserkult, stehen lokale Götterbezüge im Mittelpunkt der Prägungen. Die aktivsten Prägeregionen sind Kleinasien und Griechenland; aber auch die coloniae in Africa und Spanien für die julisch-claudische Zeit sowie Thrakien tragen zum Prägeaufkommen bei. Klientelkönige an der Peripherie des Reiches prägen ausschließlich für die Frauen der julisch-claudischen Dynastie.
Seit Caligulas Principat tauchen Frauen relativ häufig auf römischen Münzen auf. Allerdings sind es die Flavier, die als erste ein eigenes frauenspezifisches Reversprogramm abbilden, das zwar in trajanischer Zeit – unter der Programmatik des Adoptivkaisertums – zunächst vorübergehend abreißt aber dann in ausgesprochen dynastisch orientierten Prägungen ab 112 n.Chr. die ganze Antoninenzeit über gängig bleibt und ergänzt wird. Zwei Aspekte treten bei den Prägungen für Frauen in den Vordergrund. Zum einen werden Frauen als Trägerinnen der Dynastie herausgestellt, zum anderen werden Tugenden oder Funktionen (zumeist der Gattin des Herrschers) propagiert, oder ihre besondere Nahbeziehung zu einzelnen Göttinnen thematisiert, was im Verlauf der Kaiserzeit einen immer stärker umfassenden Charakter annimmt, so daß die Frau des Kaisers neben dem Mann zur Garantin des Staatswohls stilisiert wird. Ihre tatsächliche wie potentielle Reproduktionsfähigkeit konnte das ebenso garantieren wie ihre Tugendhaftigkeit.
In den Darstellungsformen fällt auf, daß frühe Abbildungen trotz eines relativ eindeutigen Porträts die Zuweisung vermeiden – etwa die Salus-Augusta Münze für Livia. Wenn Porträts eindeutig zugewiesen sind, wie bei Agrippina maior oder Antonia minor, sind die Abgebildeten bereits tot. Caligulas Schwestern, die als erste lebende Frauen mit Namen abgebildet werden, sind zugleich als Personifikationen von Gottheiten, gleichsam stereotyp statuarisch und entindividualisiert dargestellt und durch die mitgeführten Attribute ausgewiesen. Für Agrippina minor, die als erste lebende Frau durch ein Porträt mit Umschrift ihres Namens auf einer Münze geehrt wird, werden göttliche Bezüge dann jedoch wiederum gemieden. Noch frappierender ist, daß die erste vergöttlichte Kaiserfrau, Caligulas Schwester Drusilla, auf überhaupt keiner Münze erscheint, während Livia, die erst von Claudius in den Status einer Göttin erhoben wird, keine Porträtmünze erhält, sondern lediglich eine statuarische Abbildung, die was das Nominal angeht auch sehr bescheiden im Vergleich zu den Abbildungen von Claudius verstorbener, aber nicht vergöttlichter Mutter Antonia ausfällt. Antonia jedoch wird wiederum in einen auffällig sakralen Kontext gerückt, der offenbar ihre Priesterinnenrolle hervorheben soll und keine Divinisierung antizipiert. In den Provinzen werden solche Rücksichten überhaupt nicht genommen.
Julisch-Claudische Zeit
In der Reichsprägung herrschen vor allem dynastische Bildzusammenhänge vor. Von Livia bis Agrippina werden die Frauen mit unterschiedlicher Intensität häufig als verbindende Glieder zur Person des Augustus aufgefaßt. Es gibt dagegen mit Ausnahme einer wohl retrospektiven Prägung Neros, die eine Augusta (Livia?) und einen Augustus (Augustus?) als Statuen abbildet, keine Darstellungen von Herrscherpaaren. Möglicherweise stellt das von Nero geprägte Paar auf der Elefantenquadriga ebenfalls Livia und Augustus, jetzt in ihrer Rolle als Divus und Diva, dar. Dennoch ist zu beobachten, daß Agrippina minor zeitweise in der Funktion eines Partners wahrgenommen wird. Unter Claudius erscheint sie als erste lebende Kaiserfrau dazu angetan mit dem Augustatitel auf dem Revers einer Münze ihres Gatten im Porträt und zu Beginn der Herrschaft ihres Sohnes gar auf dem Avers - einmal Nero gegenüber und einmal im Staffelporträt zusammen mit ihm. Allerdings hat das Scheitern Agrippinas, die Rolle einer Kaiserfrau zu institutionalisieren und durch Zeichen äußerer Repräsentation – Kleidung/Schmuck oder eine prätorianische Leibwache – dauerhaft zu etablieren, zur Diskreditierung dieses Typs der Gattin auf dem Revers geführt, der fortan völlig verschwindet und nur bei Domitian mit Vorder- und Rückseitenporträt von Gatte und Gattin noch einmal ansatzweise zurückkehrt [8]. Erst Antoninus Pius läßt Darstellungen des Kaiserpaares auf seinen Münzen zu, bei denen beide im Gestus der dextrarum iunctio abgebildet sind – also ohne jeden Bezug zu den hellenistischen Typen. Zudem ist seine Gattin zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.
Während Agrippina ihrem Onkel als Gattin dynastische Legitimation verschaffen sollte, die ihn stärker in die Familie des Augustus einband, werden die meisten Frauen in julisch-claudischer Zeit in eben dieser Funktion auf Münzen abgebildet, sei es daß sie dynastische Kontinuität vermittelten wie Livia oder Antonia, die mehrere Herrscher verbanden, oder aber wie Agrippina die dynastische Zugehörigkeit spiegelten. Caligula ließ Mutter, Großmutter und Schwestern abbilden und damit heraustellen, daß er anders als sein Vorgänger Tiberius ein wahrer Iulier sei, welcher zudem die julische Familie auch noch um ihre Ansprüche betrogen hatte. Im Vordergrund standen jedoch keine Familienbilder sondern die Darstellungen einzelner Mitglieder der Familie, die wie die Schwestern noch mit Personifikationen in Verbindung gebracht wurden. Erst die Severer haben sich dezidiert als Familie abbilden lassen. Dennoch ist zu beobachten, daß die Mitglieder eines Hauses häufig physiognomisch einander angeglichen wurden. Die Agrippinae sind ohne die Umschrift überhaupt nicht von einander zu unterscheiden. Aber die Angleichungen sind auch jenseits der Geschlechtergrenzen zu finden. Agrippina sieht ihrem Sohn Nero auffällig ähnlich. Am markantesten begegnet diese Darstellungsweise zuerst bei den Flaviern, wo Iulia Titi mit der Bulligkeit ihres Vaters dargestellt wird und selbst Domitia Longina aussieht wie ein Perücke tragender Domitian, so daß die Damen nur an ihren Frisuren, aber nicht physignomisch differenzierbar sind.
Bereits in julisch-claudischer Zeit wird ein Typus geschaffen, der durchgängig bis zu Faustina maior belegt ist. Ein von Mauleseln gezogener Wagen, das carpentum, wird zuerst für Livia – allerdings nur unter Nennung ihres Namens – anläßlich ihr zu Ehren stattfindender Spiele 22 n.Chr. geprägt, als ihr Bildnis wohl auf diese Weise in den Circus gefahren wurde. Dieser Typus wird dann zu Ehren verstorbener Kaiserfrauen weiterverwendet. Caligula ehrt so seine Mutter, deren Bild ebenfalls in den Circus gefahren wurde. Für Antonia fehlt der Typus, obgleich ihr Sohn Claudius ihr die Ehre im Circus erwies. Allein Agrippina minor erhält diese Ehrenmünze mit ihrem Porträt als Lebende, was einmal mehr ihre Ausnahmestellung unterstreicht. Seit Domitilla, Titus‘ Mutter, wird das Motiv dann nur noch als Konsekrationstypus bis zu Faustina maior verwendet. Daneben treten andere frauenspezifische Konsekrationstypen. Seit flavischer Zeit kommt eine Elefantenbiga hinzu (Iulia Titi) und in antoninischer Zeit noch der Pfau (gelegentlich der Adler) sowie ein schon für die Kaiser verwendeter Stern und schließlich seit Faustina maior auch die Abbildung des rogus parallel zum kaiserlichen Scheiterhaufen, wobei der der Kaiserin von einer Biga, der des Kaisers von einer Quadriga bekrönt wird.
Flavier
Mit den Flaviern beginnen erstmals spezifisch weibliche Bildprogramme einzusetzen. Unter Titus werden für seine Mutter Diva Domitilla zunächst Münzen mit staatstragenden Göttinnen bzw. Personifikationen geprägt (Pax [9] und Fortuna), was äußert ungewöhnlich war, und allein für die verstorbene Antonia (Constantia Augusti) schon einmal praktiziert worden war. In beiden Fällen aber wohl situationsgebunden gemeint war. Sowohl Constantia wie Pax werden danach kaum noch geprägt. Für Titus‘ Tochter Iulia wird dagegen verstärkt ein verallgemeindernder Bezug zu Ehe und Familie hergestellt, den Domitian für seine Gattin Domitia noch verstärken sollte. Die Flavier führen dabei auch den Pfau, Zeichen der Iuno, als Signet ein, ihr Anliegen zu verdeutlichen. Dabei wird concordia mit dem Pfau in Verbindung gebracht, also ehelich gedeutet – etwa bei Domitia Longina, Domitians Gattin. Mit dem Pfau schaffen sie allerdings ein wirkmächtiges Symbol, das unter den Antoninen seine Konnotation als Hinweis auf die consecratio einer Kaiserin erhält.
Domitian führt auch die pietas mit Kind ein [10] – Hinweis auf die Hingabe zum kaiserlichen Nachwuchs, aber auch Sinnbild der einer Frau innewohnenden schützenden Kraft, die fortan aus den Prägungen der Kaiserfrauen nicht wegzudenken ist. Die flavischen Münzen sind noch in einem anderen Punkt von Bedeutung. Mit der Herausstellung der Flavia Titi, der Tochter des Titus, wird erstmals sehr pointiert, eine Frau zur Trägerin der Dynastie – durch die physiognomische Angleichung wurde dieser Anspruch ebenfalls unterstrichen. In Verbindung mit fortan immer wieder aufgelegten Göttinnenbildern wie Ceres, Concordia, Venus und Vesta wird Iulia Titi auf allen Nominalen abgebildet und noch in den ersten Jahren der Herrschaft ihres Onkels Domitian dezidiert im Münzbild geehrt.
Das Auffällige an der Zusammenstellung ist einerseits die häuslich private Lesart der Tugenden (Fruchtbarkeit, eheliches Einvernehmen, Keuschheit und Reinheit), aber auch ihr gleichzeitig staatstragender Charakter (Reproduktion, politische Eintracht, römische Stammgottheit, elementar staatstragende Göttin). Im flavischen Münzbild ist also das in die Kaiserin projezierte Heilsversprechen bereits angelegt. Offenbar wurden hier Werte, die bereits zuvor mit dem Kaiser verbunden waren, nun auf die Kaiserin übertragen. Allein Venus scheint in diesem Kontext neu, als ausgewiesen römische und vor allem julische Stammutter, auf die der Name der Kaisertochter Bezug nimmt, war sie jedoch schon für Caesar wie Augustus eine wichtige Gottheit [11]. Ceres war bereits bei Germanicus (geprägt von Caligula) mit einem Mann in Verbindung gebracht worden und Concordia hatten Claudius, Galba wie auch Vespasian für sich in Anspruch genommen. Auch Vesta, die spätestens seit 12 v. Chr. in besonderer Nahbeziehung zu Augustus stand, und vor allem in der späten Republik extrem Konjunktur hatte, war von verschiedenen Kaisern auf die Revers ihrer Münzen geprägt worden.
Es fällt zudem auf, daß die Darstellungsform der abgebildeten Göttinnen Concordia und Vesta bereits bei Augustus erscheint. Domitia Longina macht den Anfang einer langen Reihe von lebenden Frauen im Nominativ auf der Vorderseite von Münzen mit „frauenspezifischen Themen“. Allerdings kann man daraus wohl kaum ein eigenes Münzrecht ableiten, da die Titulatur, Gattin des Imperator Domitian, eindeutig auf die Abhängigkeit vom Kaiser hinweist. Anders lag der Fall Agrippina minors, die bereits zuvor auf einer einzigen Emission im Nominativ auf dem Avers - kurz nach dem Regierungsantritt ihres Sohnes – erschienen war. Sie führte dabei die schon anmaßende Bezeichnung mater Neronis Caesaris und erhob damit (indirekt) den Anspruch für den jungen Sohn zu regieren, der auf dem Revers zwar den korrekten Titel Augustus trug, aber im Dativ, also einer untergeordneten Stellung, angesprochen wurde. Abgesichert wurde dies dadurch, daß die Münze angeblich vom Senat (ex SC) in Auftrag gegeben worden war. Allerdings läßt bereits die zweite Emission den Titel Agrippinas nur noch auf dem Revers zu. Danach verschwindet er gänzlich.
Antonine
Unter Trajan wird für seine Gattin Plotina zunächst keine dynastisch motivierte Prägung ausgegeben, stattdessen wird sie im Münzprogramm – gerade in ostentativer Ablehnung der flavischen Darstellungen – auf das bereits von Augustus propagierte Frauenbild der tugendhaften Kaiserin reduziert, das sie ganz auf die Werte castitas und pudicitia festlegte. Dagegen hat Trajan nach 112 n. Chr. seine Schwester Marciana wie auch deren Tochter Matidia auf Münzen prägen lassen. Während Marciana vor allem als Diva auf den Münzen ihres Bruders erschien, wurde Matidia zusammen mit pietas und Kindern als eigentliche Garantin der Dynastie herausgestellt. Unter Hadrian war es Matidias Tochter Sabina, die als Gattin des Kaisers in bisher nicht gekanntem Umfang auf Münzen abgebildet wurde. In Grundzügen folgten die Prägungen bereits unter den Flaviern bekannten Typen, wurden aber noch erweitert. Hier ist insbesondere Iuno zu nennen. War deren Attribut (Pfau) bereits vorher präsent gewesen, so wurde die Göttin nun mit dem Beinamen der Regina verbunden und klar aus dem Bereich einer Schutzherrin von Ehe und Familie herausgenommen und stattdessen als Herrin und damit staatstragende Göttin eingeordnet. Deutlicher konnte man die Rolle der Frau des Kaisers Hadrian, über die wir aus der historischen Literatur so wenig wissen, wohl kaum formulieren.
Dennoch sagt der Umfang der Prägung wenig über realpolitische Macht aus. Das läßt sich an den umfangreichen Prägungen für Faustina maior zeigen, die schon früh in der Regierung ihres Mannes Antoninus Pius starb. Dennoch weist er der toten Gattin retrospektiv – in ihrer aktuellen Rolle als Göttin - heilstragenden Charakter zu. Das verdeutlichen auch die neu eingeführten Salustypen oder die Fortunaprägungen, die ihrer Tochter vorenthalten bleiben. Insgesamt ist eine matronale Ausrichtung der Faustina maior Prägungen zu erkennen. Ceres wird in verschiedenen Typen für sie geprägt; pietas erstmals ohne Kinder. Die dynastisch tragende Rolle übernimmt die Tochter des Paares, Faustina minor, die dieser dann auch voll gerecht wird. Von Anfang an wurde ihr reproduktives Potential gefeiert, ihre Mutterrolle vorweggenommen. Das fällt im Übrigen auch für Faustinas Schwägerin, Commodus‘ Gattin Crispina auf, die zeitlebens keine Kinder hatte, aber mit der für Faustina erstmals geprägten fecunditas abgebildet wurde. Als Fortuna minor nämlich tatsächlich Mutter wurde, wurden ihre zahlreichen Kinder von ihrem Gatten Marc Aurel entsprechend ins Bild gebracht. Erstmals wurde in diesem Fall eine immer latent vorhandene Erwartung eingelöst und Faustina minor schließlich als erste Kaiserin explizit auch in die politische Sphäre des Kaisertums eingebunden, als Münzen mit der Darstellung des ihr verliehenen Titels einer mater castrorum, der im Grunde den pater patriae Titel des Kaisers parallelisiert, herausgegeben wurden. Einen Höhepunkt erfuhr diese Entwicklung mit Iulia Domna, die 205 n. Chr. den Titel einer mater Augustorum, mater senatus, mater patriae führte, der ebenfalls numismatisch festgehalten wurde.
Severer
Die Severer prägen zunächst in der Tradition der Vielfalt der antoninischen Typen weiter. Anders als zuvor werden jedoch auf Iulia Domna auch Typen vereinigt, die bei den Antoninen noch Mutter (Fortuna, Venus Victrix) oder Tochter (Fecunditas, Venus Genetrix) zugewiesen waren [12]. Schon unter den Flaviern war Fortuna mit Domitilla aber nicht mit ihrer Tochter Iulia in Verbindung gebracht worden. Lucilla, Faustina maiors Tochter und Gattin des Mitkaisers Lucius Verus, war wie ihre Mutter und anders als ihre Schwester mit Fortuna in Verbindung gebracht worden. Sabina jedoch, für die so vielfältig geprägt wurde, hatte keine Fortunamünzen. Das Muster ist schwierig zu erkennen, aber es deutet doch auf eine gewisse Zuständigkeit innerhalb einer Familie hin.
Stärker als schon Faustina minor wird Iulia Domna nicht nur als Garantin der Dynastie bzw. Mutter der designierten Nachfolger gesehen, sondern in der Rolle einer kaiserlichen Partnerin mit Gesamtzuständigkeit und ausdrücklich als mater patriae geehrt. Auch die Diana Luna schuf ein Parallele zu Apollo-Sol, mit dem der Kaiser identifiziert wurde. In populären Darstellungen war diese Wahrnehmung der Kaiserin als Pendant zum Kaiser schon lange präsent, aber es verwundert doch, wie lange Zeit es gedauert hat, um Einzug in die offizielle Selbstrepräsentation eines Kaisers zu nehmen. Iulia Domna wurde jedoch nur zur Zeit ihres Gatten in dieser Weise dargestellt. Kaiserliche Familienbilder sind ebenfalls nur in der Zeit des Septimius Severus zu beobachten, waren also Ausdruck von Legitimierungsbestrebungen für den Nachfolger und der Etablierung der neuen Dynastie. Plautilla, Caracallas Gattin, kann nie das Münzprogramm ihrer Schwiegermutter auf sich vereinigen. Aber auch Iulia Domna wird in ihrer Rolle als Kaisermutter, wie auch andere Mütter der severischen Dynastie, deutlich programmatisch reduziert, indem sie mit eher traditionellen Gottheiten wie Iuno und Venus in Verbindung gebracht wird. Gerade diese immer wieder vorgenommenen Reduktionen, etwa in der Vielfalt für Iulia Titi im Principat ihres Onkels, oder bei Iulia Domna im Principat des Sohns ebenso wie offenbar das gezielte Fehlen einzelner Gottheiten wie der Fortuna für Iulia Titi, Sabina oder Faustina minor, die bei Schwester oder Mutter Verwendung findet, unterstreicht noch einmal die keineswegs beliebige Zuweisung von Typen und die wohltemperierte Programmatik, mit der die Frauen in die herrscherliche Repräsentation des Systems einbezogen wurden.
[2] RPC IV online: http://rpc.ashmus.ox.ac.uk/project/; SNG online: http://www.sylloge-nummorum-graecorum.org/; Ausstellung der staatlichen Museen Berlin online: http://www.smb.museum/ikmk; Sammlung der American Numismatic Society: http://www.numismatics.org/search/; Nummismatische Bilddatenbank Eichstätt: http://www.ifaust.de/nbe/; Projekt ISEGRIM-Datenbank kleinasiatischer Münzen: http://hist3-10.phil-fak.uni-duesseldorf.de/isegrim/; sowie zahlreiche Kataloge professioneller Münzanbieter, die etwa von A.J. Gatlin in seinem Ancient Coin Archive gebündelt werden: http://www.coinarchives.com/a/. Auch viele Sammler haben akribisch nützliche Seiten zusammengestellt wie Frédéric Weber: http://www.fredericweber.com.
[3] Lummel, P., „Zielgruppen“ römischer Staatskunst. Die Münzen der Kaiser Augustus bis Trajan und die trajanischen Staatsreliefs, München 1991 (Quellen und Forschungen zur Alten Welt 6); Levick, B., Messages on Roman Coinage, in: Paul, G.M. – Ieardi, M. (Hg.), Roman Coins and Public Life under the Empire, Ann Arbor 1999 (E. Togo Salmon Papers 2), 41-60.
[4] Zur Rolle des Kaisers etwa Howgego, C., Geld in der Antiken Welt. Was Münzen über Geschichte verraten, Darmstadt 2000, 80ff.; Witschel, C., Rez. Zu W. Kuhoff, Felicior Augusto melior Traiano. Aspekte der Selbstdarstellung des römischen Kaisers während der Principatszeit, Klio 78, 1996, 526-529.
[5] So etwa Kahrstedt, U., Frauen auf antiken Münzen, Klio 10, 1910, 261-314.
[6] Vgl. Kunst, C., Zur Rolle der Römischen Kaiserfrau. Eine Einleitung. in: Kunst, C. – Riemer, U. (Hg.), Grenzen der Macht. Zur Rolle der römischen Kaiserfrauen, Stuttgart 2000 (PawB 3), 1-6.
[7] Fischer, R.A., Fulvia und Octavia. Die beiden Ehefrauen des Marcus Antonius in den politischen Kämpfen der Umbruchszeit zwischen Republik und Principat, Berlin 1999, 139ff.
[8] Möglicherweise bezieht er sich jedoch auf die Memorialprägungen dieses Typs unter Titus, bei denen Divus Vespasianus auf der Vorder- und Diva Domitilla auf Rückseite erscheinen.
[9] Die im RIC aufgeführten Prägung mit Pax Augusta (RIC 72) ist wahrscheinlich nur eine hybride Prägung mit einem Reversmotiv des Vespasian.
[10] Die Darstellung des Pfaus auf den Concordiaprägungen der Domitia (RIC 212) sowie die Pietas mit Kind (RIC 214) erscheint auch auf Münzen der Domitilla (RIC Titus 70 und 73), die jedoch äußerst selten mit Abbildung auftreten, weshalb auch hier von einer möglichen hybriden späteren Prägung unter Domitian ausgegangen werden kann.
[11] Einzig für Caesar sind auch Münzen mit Venus belegt, jedoch ohne eindeutige Bezeichnung der Göttin.
[12] Alexandridis, A., Die Frauen des römischen Kaiserhauses. Eine Untersuchung ihrere bildlichen Darstellung von Livia bis Iulia Domna, Mainz 2004, 27.